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Prof. Dr.-Ing. Holger Lange lehrt an der Hochschule Bremerhaven Windenergietechnik und führt in Essen das Ingenieurbüro P. E. Concepts.

EssenStrom: Wie Unternehmen von Windenergie profitieren

Mit EssenStrom bieten die Stadtwerke Essen 100 Prozent Ökostrom aus Wind- und Wasserkraft. Prof. Dr.-Ing. Holger Lange, führender Experte für Windenergieanlagen, erklärt die Relevanz von Windenergie und warum der Bezug von „grünem“ Strom Rückenwind für Unternehmen bedeutet.

 

Wie profitieren Unternehmen davon, wenn sie umweltfreundlich produzierten „grünen Strom einsetzen?

Prof. Dr.-Ing. Holger Lange: Erstens ergibt sich für Unternehmen natürlich ein großer Imagegewinn, wenn sie ihren verantwortungsvollen Umgang mit natürlichen Ressourcen nach außen kommunizieren. Sie zeigen ihren Kunden, dass sie nachhaltig handeln.


Zweitens achten Auftraggeber bei ihrer Auswahl von Anbietern und bei Ausschreibungen immer häufiger darauf, wie ökologisch die Anbieter aufgestellt sind. Ich kenne Unternehmen, die beispielsweise von ihren IT-Dienstleistern explizit verlangen, dass diese mit „grünem“ Strom arbeiten.


Drittens haben Unternehmen Vorteile bei Qualitäts- und Energieaudits. Diese beinhalten ja solche Themen wie: Woher kommt der Strom?


Und viertens können Unternehmen mit „grünem“ Strom ihre Zukunft absichern, weil sie langfristig unabhängiger vom Markt konventioneller, fossiler Energieträger sind. Diesen Weg zeichnen auch die Stadtwerke Essen mit ihrer Beteiligung an der Thüga Erneuerbare Energien GmbH & Co. KG vor, die hauptsächlich in Windenergieanlagen investiert.


Auf welchem Prinzip beruhen Windenergieanlagen?

Holger Lange: Eine Windenergieanlage nutzt als Treibstoff die Naturenergie Wind. Die an den Flügeln vorbeiströmende Luft versetzt den Rotor in Bewegung. Unsere Vorfahren haben mit der Drehung noch Wasserpumpen und Mühlensteine angetrieben – das Prinzip ist alt, nur sind unsere technischen Möglichkeiten heutzutage weitaus größer. Wir arbeiten daran, die Anlagen immer effizienter zu machen. Die Drehung wandelt ein Generator wie bei einem Fahrraddynamo in Strom um. Aus Windenergie können maximal 59 Prozent in Strom umgewandelt werden, das ist Grundlagenforschung. Eine gute Anlage holt derzeit schon 42 Prozent aus dem Wind.


Wie sauber ist der so erzeugte Strom tatsächlich?

Holger Lange: Die Energiegewinnung durch Windkraftanlagen ist die sauberste der regenerativen Energien – nicht nur weil Wind genutzt wird. Selbst unter Berücksichtigung von Bau und Transport ist die Energiebilanz einer Windkraftanlage bereits nach zwei Monaten Betrieb positiv.


EssenStrom stammt aus neuen Wind- und Wasserkraftanlagen in Skandinavien. Wie sehen die Potenziale für Anlagen in Essen aus?

Holger Lange: Dicht bebaute Städte sind generell nicht prädestiniert für Windenergie. In ihnen gibt es zu viele Turbulenzen. Der Wind strömt nicht gleichmäßig. Die Anlagen reagieren darauf sehr unruhig. In Essen haben wir zudem keinen starken Wind. Die Windgeschwindigkeit beträgt im Durchschnitt gerade 4,5 bis fünf Meter pro Sekunde – wenn wir nicht gerade von Ela heimgesucht werden, aber das sind absolute Ausnahmen, da schalten auch Windenergieanlagen ab. Zum Vergleich: In Schleswig-Holstein haben wir mittlere Windgeschwindigkeiten von über sieben Metern pro Sekunde. Was die Wasserkraft angeht, so sind die Möglichkeiten hier auch sehr begrenzt. Das Laufwasserkraftwerk am Baldeneysee versorgt rund 9.000 Haushalte, das ist gut und ein Beitrag zur Energieversorgung – aber es reicht natürlich nicht für eine Großstadt.



Auf dem Dach des Gründerzentrums ETEC an der A40, wo sie vor 14 Jahren Ihr Ingenieurbüro P. E. Concepts ins Leben gerufen haben, drehen sich zwei Vertikalrotoren im Wind. Sind solche Windenergieanlagen für Unternehmen attraktiv?

Holger Lange: Das sind Vertikalläufer, die für das Segment der Klein-Windenergieanlagen entwickelt wurden. Diese Windenergieanlagen drehen sich auf einer vertikalen Achse. Das hat den Vorteil, dass die Rotoren sich nicht immer wieder entsprechend der Windrichtung hin ausrichten müssen. Die futuristisch aussehenden Anlagen erzeugen Strom selbst an Orten, an denen Turbulenzen und niedrige Windgeschwindigkeiten herrschen. Prinzipiell eignen sie sich also auch für die Stadt. Sie haben allerdings gegenüber den etwa gleich teuren horizontalen Klein-Windenergieanlagen einen deutlich geringeren Wirkungsgrad. Ihre Technik ist noch nicht ganz ausgereift und oft unrentabel. Aber es gibt eine ganze Reihe von Start-ups, die weiter daran forschen und interessante Konzepte verfolgen.

 

Ob horizontal oder vertikal: Könnten Klein-Windenergieanlagen, also Anlagen mit einer Leistung von fünf bis zu 100 Kilowatt, einmal auf allen Dächern stehen und so wie Solaranlagen ein gewohnter Anblick werden?

Holger Lange: Die Statik muss das zulassen. Und die Anwohner sollte es nicht stören, denn an deren Klagen scheitern immer wieder Windenergieanlagen. Aber wie schon erwähnt: In der Stadt selbst herrschen keine idealen Bedingungen für ertragreiche Anlagen mit horizontalem Rotor. Es gibt immer wieder futuristische Studien auf dem Zeichenbrett, bei denen Hochhäusern eine Windenergieanlage regelrecht eingepflanzt wird. Aber wer will darin wohnen? Solche Anlagen kann man physisch nicht vom Rest des Gebäudes entkoppeln. Das Drehen der Rotoren würde man im ganzen Haus hören und spüren.


Unter welchen Voraussetzungen lohnt es sich, selbst mit Wind Strom für den Eigenverbrauch zu erzeugen?

Holger Lange: Im landwirtschaftlichen Bereich oder in Gewerbegebieten, die etwas weiter von der Stadt entfernt liegen, ist der Wind besser und dort lässt es sich auch ungestörter mit Windenergieanlagen arbeiten. Sie sind sinnvoll für diejenigen Unternehmen, die kontinuierlich viel Strom verbrauchen. Ein Unternehmen mit einem Verbrauch von 100.000 Kilowattstunden, das beispielsweise Strom für die Kühlung von Lebensmitteln benötigt, kann immer Strom einsparen, wenn der Wind weht. In Spitzenzeiten bringt eine große Windenergieanlage 50.000 Kilowattstunden. Die kann sich schnell rentieren. Aber in einer Großstadt wie Essen, da profitieren Unternehmen mehr von Wind- und Wasserkraftanlagen in Skandinavien und Offshoreanlagen. Die sind leistungsstärker und – anwohnerfreundlich – außer Sichtweite.

 

 

Ökostrom im Aufwind
Windenergieanlagen boomen. Mit 422 Stück gingen im ersten Halbjahr 2015 mehr Offshore-Anlagen vor der deutschen Küste ans Netz als je zuvor. Insgesamt sind es an Nord- und Ostsee nun  668 Anlagen. Sie können zusammen drei Millionen Haushalte versorgen. Parallel wächst die Zahl der Windkraftanlagen an Land. Aktuell rotieren rund 25.000 Windräder in Deutschland.

Daten und Fakten:

  • Windenergieanlagen in Deutschland: 24.867 (2014)
  • Gesamtleistung aus Windenergie: 38.115 Megawatt (2014)
  • Gesamtleistung aus Windenergie in Nordrhein-Westfalen: 3.681 Megawatt (2014)
  • Beschäftigte in der Windindustrie, in Deutschland: 138.000 (2015)
  • Die Top 5 der Windkraftproduzenten (Windenergie in Megawatt, 2013):
    • China (91.424)
    • USA (61.091)
    • Deutschland (34.250)
    • Spanien (22.959)
    • Indien (20.150)